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Urlaubsanspruch, Urlaubsabgeltung, Verfall


Der Urlaubsanspruch bei bestehendem Arbeitsverhältnis und der Urlaubsabgeltungsanspruch nach beendetem Arbeitsverhältnis bleiben ohne Stellung eines Urlaubsantrages im Bezugszeitraum bestehen.

Weist der Arbeitgeber nach, dass der Arbeitnehmer freiwillig und in voller Kenntnis der Sachlage auf seinen Jahresurlaub verzichtet hat, nachdem er in die Lage versetzt worden ist, seinen Urlaub zu nehmen, kann der Urlaubs- bzw. Urlaubsabgeltungsanspruch verfallen.


Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses hat der Kläger seine Arbeitgeberin erfolglos zur Zahlung von 11.979 Euro als finanzielle Abgeltung von 51 nicht genommenen Urlaubstagen aus den Jahren 2012 und 2013 aufgefordert hatte, erhob er eine entsprechende Zahlungsklage.

Das Arbeits- und Landesarbeitsgericht gaben der Klage statt. Dagegen wandte sich die Arbeitgeberin mit der Revision an das Bundesarbeitsgericht. Diese hat den Rechtsstreit ausgesetzt und die Rechtsfrage zur Beantwortung dem Europäischen Gerichtshof vorgelegt.


Das BAG führte dazu aus, die fraglichen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub seien gemäß § 7 Abs. 3 BUrlG verfallen, da der Urlaub nicht im Urlaubsjahr genommen worden sei. Sei der Arbeitnehmer in der Lage gewesen, seinen Urlaub im Urlaubsjahr zu nehmen, gehe der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub daher am Ende des Urlaubsjahres unter. Da diese Ansprüche verfallen seien, könnten sie nicht mehr in einen Abgeltungsanspruch gemäß § 7 Abs. 4 BUrlG umgewandelt werden. Anders sei es nur, wenn der Arbeitgeber trotz eines rechtzeitigen Urlaubsantrags des Arbeitnehmers diesem keinen Urlaub gewährt habe.


Der EuGH teilt diese Rechtsansicht nicht. Er führt dazu im Wesentlichen aus:


Das Recht auf bezahlten Jahresurlaub als Grundsatz des Sozialrechts der Europäischen Union hat nicht nur besondere Bedeutung, sondern ist auch in Art. 31 Abs. 2 der Charta, der nach Art. 6 Abs. 1 EUV der gleiche rechtliche Rang wie den Verträgen zukommt, ausdrücklich verbürgt.


Ist das Arbeitsverhältnis beendet, ist die tatsächliche Inanspruchnahme des bezahlten Jahresurlaubs, der dem Arbeitnehmer zusteht, nicht mehr möglich. Um zu verhindern, dass dem Arbeitnehmer wegen dieser Unmöglichkeit jeder Genuss dieses Anspruchs, selbst in finanzieller Form, vorenthalten wird, sieht Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 vor, dass der Arbeitnehmer Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für die nicht genommenen Urlaubstage hat. Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 stellt keine andere Voraussetzung für das Entstehen des Anspruchs auf finanzielle Vergütung auf als die, dass das Arbeitsverhältnis beendet ist und der Arbeitnehmer nicht den gesamten Jahresurlaub genommen hat, auf den er zum Zeitpunkt der Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch hatte. Insoweit geht aus der vorhergehenden Rechtsprechung des Gerichtshofs hervor, dass Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88 einzelstaatlichen Rechtsvorschriften oder Gepflogenheiten entgegensteht, nach denen dem Arbeitnehmer am Ende des Arbeitsverhältnisses keine finanzielle Vergütung für nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub gezahlt wird, wenn es ihm nicht möglich war, den gesamten bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, der ihm vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses zustand, weil er sich z.B. während des gesamten Bezugs- und/oder Übertragungszeitraums oder eines Teils davon im Krankheitsurlaub befand.


Art. 7 der Richtlinie 2003/88 kann nicht dahin ausgelegt werden kann, dass der Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub und damit auch der Anspruch auf die in Art. 7 Abs. 2 dieser Richtlinie vorgesehene finanzielle Vergütung durch den Tod des Arbeitnehmers untergehen können. Wenn die Pflicht zur Auszahlung einer solchen Vergütung wegen der durch den Tod des Arbeitnehmers bedingten Beendigung des Arbeitsverhältnisses erlöschen würde, hätte dieser Umstand zur Folge, dass ein unwägbares Vorkommnis rückwirkend zum vollständigen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub selbst führen würde.


Eine nationale Regelung wie § 7 Abs. 1 und 3 BUrlG, die vorsieht, dass bei der zeitlichen Festlegung des Urlaubs die Urlaubswünsche des Arbeitnehmers zu berücksichtigen sind, es sei denn, dass dringende betriebliche Belange oder Urlaubswünsche anderer Arbeitnehmer vorliegen, die unter sozialen Gesichtspunkten den Vorrang verdienen, oder dass der Urlaub grundsätzlich im Bezugsjahr zu nehmen ist, fällt in den Bereich der Modalitäten für die Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub im Sinne von Art. 7 Abs. 1 der Richtlinie 2003/88 und der in der vorstehenden Randnummer angeführten Rechtsprechung des Gerichtshofs.

Es ist dafür Sorge zu tragen, dass die Anwendung solcher nationalen Bestimmungen nicht zum Erlöschen der vom Arbeitnehmer erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub führen kann, wenn es ihm tatsächlich nicht möglich war, diese Ansprüche wahrzunehmen.


Im vorliegenden Fall führte die bisherige Gesetzesauslegung dazu, dass ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines bezahlten Jahresurlaubs gestellt hat, seinen Urlaubsanspruch am Ende des Bezugszeitraums und entsprechend seinen Anspruch auf eine Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert.


Mit einem solchen automatischen Verlust des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub, der keine vorherige Prüfung voraussetzt, ob der Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen, werden die Grenzen verkannt, die von den Mitgliedstaaten zwingend einzuhalten sind, wenn sie die Modalitäten für die Ausübung dieses Anspruchs im Einzelnen festlegen.

Der Arbeitnehmer ist nämlich als die schwächere Partei des Arbeitsvertrags anzusehen, so dass verhindert werden muss, dass der Arbeitgeber ihm eine Beschränkung seiner Rechte auferlegen kann. Aufgrund dieser schwächeren Position kann der Arbeitnehmer davon abgeschreckt werden, seine Rechte gegenüber seinem Arbeitgeber ausdrücklich geltend zu machen, da insbesondere die Einforderung dieser Rechte ihn Maßnahmen des Arbeitgebers aussetzen könnte, die sich zu seinem Nachteil auf das Arbeitsverhältnis auswirken können. Zudem ist die Schaffung eines Anreizes, auf den Erholungsurlaub zu verzichten oder die Arbeitnehmer dazu anzuhalten, darauf zu verzichten, mit den Zielen unvereinbar, die mit dem Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub verfolgt werden und u.a. darin bestehen, zu gewährleisten, dass der Arbeitnehmer zum wirksamen Schutz seiner Sicherheit und seiner Gesundheit über eine tatsächliche Ruhezeit verfügt. Demnach verstößt auch jede Praxis oder Unterlassung eines Arbeitgebers, die den Arbeitnehmer davon abhalten kann, den Jahresurlaub zu nehmen, gegen das mit dem Recht auf Jahresurlaub verfolgte Ziel. Unter diesen Umständen ist eine Situation zu vermeiden, in der die Aufgabe, für die tatsächliche Wahrnehmung des Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub zu sorgen, vollständig auf den Arbeitnehmer verlagert würde, während der Arbeitgeber damit die Möglichkeit erhielte, sich unter Berufung auf den fehlenden Urlaubsantrag des Arbeitnehmers seiner eigenen Pflichten zu entziehen.


Es ist zwar darauf hinzuweisen, dass die Beachtung der Verpflichtung des Arbeitgebers aus Art. 7 der Richtlinie 2003/88 nicht so weit gehen kann, von diesem zu verlangen, dass er seine Arbeitnehmer zwingt, ihren Anspruch auf bezahlten Jahresurlaub tatsächlich wahrzunehmen. Er muss den Arbeitnehmer jedoch in die Lage versetzen, einen solchen Anspruch wahrzunehmen.


Der Arbeitgeber ist in Anbetracht des zwingenden Charakters des Rechts auf bezahlten Jahresurlaub und angesichts des Erfordernisses, die praktische Wirksamkeit von Art. 7 der Richtlinie 2003/88 zu gewährleisten, u.a. verpflichtet, konkret und in völliger Transparenz dafür zu sorgen, dass der Arbeitnehmer tatsächlich in der Lage ist, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, indem er ihn - erforderlichenfalls förmlich - auffordert, dies zu tun, und ihm, damit sichergestellt ist, dass der Urlaub ihm noch die Erholung und Entspannung bieten kann, zu denen er beitragen soll, klar und rechtzeitig mitteilt, dass der Urlaub, wenn er ihn nicht nimmt, am Ende des Bezugszeitraums oder eines zulässigen Übertragungszeitraums verfallen wird. Die Beweislast trägt insoweit der Arbeitgeber. Kann er nicht nachweisen, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um den Arbeitnehmer tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, verstießen das Erlöschen des Urlaubsanspruchs am Ende des Bezugs- oder zulässigen Übertragungszeitraums und - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - das entsprechende Ausbleiben der Zahlung einer finanziellen Vergütung für den nicht genommenen Jahresurlaub gegen Art. 7 Abs. 1 und gegen Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88.


Ist der Arbeitgeber hingegen in der Lage, den ihm insoweit obliegenden Beweis zu erbringen, und zeigt sich daher, dass der Arbeitnehmer aus freien Stücken und in voller Kenntnis der sich daraus ergebenden Konsequenzen darauf verzichtet hat, seinen bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, nachdem er in die Lage versetzt worden war, seinen Urlaubsanspruch tatsächlich wahrzunehmen, steht Art. 7 Abs. 1 und 2 der Richtlinie 2003/88 dem Verlust dieses Anspruchs und - bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses - dem entsprechenden Wegfall der finanziellen Vergütung für den nicht genommenen bezahlten Jahresurlaub nicht entgegen.


Der EuGH hat daher festgestellt, dass Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta dahin auszulegen sind, dass sie einer nationalen Regelung wie der im Ausgangsverfahren fraglichen entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z.B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen.


Zusammenfassend kommt der EuGH zum Ergebnis, dass sich in dem Fall, dass eine nationale Regelung wie die in den Ausgangsverfahren fragliche nicht im Einklang mit Art. 7 der Richtlinie 2003/88 und Art. 31 Abs. 2 der Charta ausgelegt werden kann, aus Art. 31 Abs. 2 der Charta ergibt, dass das mit einem Rechtsstreit zwischen einem Arbeitnehmer und seinem früheren privaten Arbeitgeber befasste nationale Gericht diese nationale Regelung unangewendet zu lassen und dafür Sorge zu tragen hat, dass der Arbeitnehmer, wenn der Arbeitgeber nicht nachweisen kann, dass er mit aller gebotenen Sorgfalt gehandelt hat, um ihn tatsächlich in die Lage zu versetzen, den ihm nach dem Unionsrecht zustehenden bezahlten Jahresurlaub zu nehmen, weder seine erworbenen Ansprüche auf bezahlten Jahresurlaub noch entsprechend - im Fall der Beendigung des Arbeitsverhältnisses - die finanzielle Vergütung für nicht genommenen Urlaub, deren Zahlung in diesem Fall unmittelbar dem betreffenden Arbeitgeber obliegt, verlieren kann.


Art. 7 der Richtlinie 2003/88/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 04.11.2003 über bestimmte Aspekte der Arbeitszeitgestaltung und Art. 31 Abs. 2 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union stehen einer nationalen Regelung entgegenstehen, nach der ein Arbeitnehmer, der im betreffenden Bezugszeitraum keinen Antrag auf Wahrnehmung seines Anspruchs auf bezahlten Jahresurlaub gestellt hat, am Ende des Bezugszeitraums die ihm gemäß diesen Bestimmungen für den Bezugszeitraum zustehenden Urlaubstage und entsprechend seinen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für den bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht genommenen Urlaub verliert, und zwar automatisch und ohne vorherige Prüfung, ob er vom Arbeitgeber z. B. durch angemessene Aufklärung tatsächlich in die Lage versetzt wurde, diesen Anspruch wahrzunehmen.


Quelle: Urteil des EuGH vom 06.11.2018 - Rechtssache C-684/16



Anmerkung des Verfassers:

Soweit ein Arbeitgeber den Fortbestand von Urlaubsansprüchen verhindern und die Arbeitnehmer zur Urlaubsnahme anhalten möchte, sollte er rechtzeitig vor Ablauf des Urlaubsjahres die Arbeitnehmer nachweislich - etwa durch ein Anschreiben - auf die Urlaubsnahme und einen möglichen Verfall, soweit der Urlaub bewusst nicht genommen wird, hinweisen.







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Arbeitsrecht, Sozialrecht